Abschnitt 1: Grundlagen zu Diversität und Diskriminierung / Chapter 1: Basics About Diversity and Discrimination
Die Vielfalt des Menschen schützt das Recht mit einer Vielfalt an Regelungen. Das ist nett gesagt, gestaltet die Rechtsanwendung aber nicht gerade einfach. Im Gegenteil.
Der Schutz der Diversität setzt bei den einzelnen Merkmalen des Menschen an und schützt den Menschen vor nicht gerechtfertigten Benachteiligungen wegen eines oder mehrerer Merkmale.
Rechtlicher Schutz von Diversität = Rechtlicher Schutz vor Diskriminierung
Der rechtliche Schutz von Diversität hat den rechtlichen Schutz vor Diskriminierung zum Gegenstand. Es geht also um Antidiskriminierung. Dafür gibt es in Deutschland keine einheitliche Regelung. Es gibt unterschiedliche Adressaten und unterschiedliche Schutzstandards. Das beginnt mit den einzelnen Regelungen, die in der Rangordnung (Hierarchie) des Rechts auf jeder Ebene zu finden sind. Ein prominentes Beispiel ist die UN-Behindertenrechtskonvention, die auf oberster völkerrechtlicher Ebene angesiedelt ist und in Deutschland ratifiziert wurde. Dadurch gilt sie im Range eines Bundesgesetzes und hat entscheidende Bedeutung für die Auslegung von Vorschriften, die Menschen mit Behinderungen betreffen. Im Bereich der Universität und mithin im Antidiskriminierungsrecht spielt das Europarecht eine bedeutende Rolle. Beispielsweise basiert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in wesentlichen Teilen auf einer Richtlinie der Europäischen Union. Bekannt ist natürlich Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz, der das Grundrecht auf Gleichbehandlung enthält. Dann folgt auf einfach gesetzlicher Ebene das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das seinen zentralen Anwendungsbereich für die Clubs entfaltet.
Clubs werden von privaten Betreiber innen geführt, so dass der privatrechtliche Diskriminierungsschutz eingreift. Das bedeutet umgekehrt, dass der in unserem Recht sehr viel stärker geregelte Schutz von Diversität durch für den Staat, insbesondere Behörden etc, nicht anwendbar ist. Weil wir ja die Hauptstadt sind, zählen dazu beispielsweise das Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes, das sogenannte Bundesgleichstellungsgesetz. Nach unserem Grundgesetz und den Landesverfassungen sind Männer und Frauen ausdrücklich gleichberechtigt. Trotzdem lassen Sie uns einmal auf Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes schauen, weil er eine wichtige Referenz – Vorschrift ist. Ausdrücklich heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
“Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Das sind die sogenannten „Big 8“. Hier finden sich also schon einmal einzelne Diversität – Merkmale. Zu beachten ist, dass Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes zuvörderst ein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat gewährleistet und nicht direkt auf die Clubszene anwendbar ist. Gleichwohl kommt dieser Vorschrift mittelbare Bedeutung zu, weil sie Bestandteil der Werteordnung des Grundgesetzes ist und beispielsweise ein Richter, der über einen Diversität – Fall zu urteilen hat, sie über die Generalklauseln im bürgerlichen Recht (§§ 138, 242 BGB) zur Geltung zu bringen hat. So wirken sie eben auch in die private Lebensgestaltung hinein. Wir haben vergleichbare Regelungen in den Landesverfassungen und natürlich haben Anpassungen und Änderungen des Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz Auswirkungen auf die weitere Ausgestaltung der Diversitäts – Merkmale auf Landes- und auch kommunaler Ebene. Derzeit wird diskutiert, das Merkmal der „Rasse“ durch eine passgenauere Formulierung zu ersetzen. Es liegt sogar schon Vorschlag zur Änderung des Grundgesetzes vor. Das Bundesjustizministerium möchte dem Begriff Rasse streicheln und durch aus rassistischen Gründen ersetzen. Dieser Gesetzentwurf steckt seit vergangenem Jahr fest. Das Land Brandenburg hat die Verfassung dahingehend schon geändert (Art. 12 Abs. 2 LVerf). Im Ergebnis soll der Schutz nicht verengt werden. Zugleich wird eine allgemeine Entwicklungstendenz sichtbar, dass die Diversität – Merkmale bzw. Diskriminierungsmerkmale rechtlich nachjustiert werden, um eine bessere Feinsteuerung in der Praxis zu gewährleisten. Denken Sie nur an das dritte Geschlecht „divers“, das seit 2019 im Personalausweis eingetragen werden kann.
Ich möchte es ganz klar noch einmal zusammenfassen, welche Diversitätsmerkmale unser Antidiskrimierungsrecht im Kern umfasst:
Geschlecht, sexuelle Identität, (zugeschriebene) ethnische Herkunft, Hautfarbe, Behinderung oder Beeinträchtigung, soziale Herkunft oder sozialer Status, Aussehen, Sprache, Lebensalter, Religion und Weltanschauung.
Berlin hat das Antidiskrimierungsrecht 2020 maßgeblich ergänzt. Im Juni ist das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) in Kraft getreten. Es ist besonders hervorzugheben, weil es einen erweiterter Katalog zu schützender Diskriminierungsmerkmale vorsieht. Dazu zählen zB der soziale Status und chronische Erkrankungen. Es werden kollektive Rechtsschutzinstrumente – wie das Einzelfall- und das strukturbezogene Verbandsklagerecht geregelt und eine neue Ombudsstelle installiert. Es gilt für alle öffentlichen Stellen, wie Behörden, Gerichte, Stiftungen usw. Damit hat es weitreichende Ausstrahlungswirkung. ZB enthält es präzise Formulierungen von Diskriminierungen in § 4, die insofern gut auch in das Privatrecht und damit auf die Rechtslage in Clubs übertragbar sind.
Zweitens muss man bestimmen, welcher Lebensbereich (Arbeitsleben, Wohnen, Freizeit, etc) betroffen ist, weil es unterschiedliche Diskriminierungsverbote mit unterschiedlichen Rechtsfolgen gibt. Hier kommen schon zum ersten Mal die eingangs angesprochenen drei Ebenen zum Tragen. Ist das Arbeitsleben betroffen, also das Verhältnis der Betreiber: innen zu ihren Angestellten, gelten spezielle Diskriminierungsverbote. Auf der Ebene des Personals zu den Gästen der Clubs ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) mit dem gesetzlich aufgezählten geschätzten Diversitäts-Merkmalen einschlägig. Weiterhin gelten die allgemeinen Vorschriften, die ebenso bei Diskriminierungserfahrungen relevant werden können. So kann der zivilrechtliche Persönlichkeitsrechtsschutz betroffen sein oder/und das Strafrecht. Wenn beispielsweise ein Angestellte des Clubs einen Gast wegen seines Körpergewichts beleidigt oder ein Gast den anderen. Das Körpergewicht ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das ausdrücklich nicht von Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz oder auch nicht vom AGG erfasst wird.
Deshalb muss in einem dritten Schritt betrachtet werden, welches bzw. welche Diversitäts-Merkmale betroffen sind. Es gibt unterschiedliche Schutzstandards. Hervorzuheben werden soll „die Behinderung“, für die auf völkerrechtlicher Ebene die UN-Behindertenrechtskonvention gilt. Deutschland hat sie ratifiziert und vielfältige Umsetzungsgesetze auf dieser Basis erlassen. Für Menschen mit Behinderungen gewährleistet das Recht einen stärkeren Schutz und ergänzend Fördermöglichkeiten/-verpflichtungen, die es in dieser Weise für das Merkmal zB „Herkunft“ im privatwirtschaftlichen Bereich nicht gibt. Ein wichtiges Stichwort für die Clubszene ist die Barrierefreiheit, auf die ich später noch einmal zurückkommen.
Welches zentrale Thema behandelt dieses Modul?
Welche Rolle spielt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Deutschland?
Welche Merkmale werden im Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) zusätzlich geschützt?
Was sind die sogenannten „Big 8“, die in Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes genannt werden?
Welche Bedeutung hat Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes im Kontext der Clubszene?
The diversity of humans is protected by a diversity of regulations. That’s nicely said, but it doesn’t make legal practice easy. On the contrary.
Protection of diversity is based upon individual human characteristics and protects people from unjustified disadvantages due to one or more characteristics.
Legal Protection of Diversity = Legal Protection Against Discrimination
The legal protection of diversity is based upon legal protection against discrimination. Therefore it’s about anti-discrimination. In Germany there is no unified body of regulations. There are various addressees and various protection standards. This starts with individual regulations which can be found on every level of the hierarchy of law. One prominent example is the UN Convention on the Rights of Persons with Disabilities, which is at the highest level of international law and has been ratified in Germany. That’s why it is considered on the level of federal law and is decisive for the interpretation of regulations referring to people with disabilities. In the realm of diversity and within anti-discrimination law, European law plays a decisive role. For example, the General Equal Treatment Act is largely based upon an European Union guideline. Of course, people know Article 3 (3) of the Basic Law, which includes this basic right to equal treatment. Derived from this as a simple law is the General Equal Treatment Act, which becomes centrally applicable to clubs.
Clubs are run by private individuals, thus protection against discrimination becomes applicable on the basis of civil law. Conversely, this means that the stronger legal protection of diversity in state, particularly administrative contexts, is not applicable. Since we are in the capital, this includes the law for equality of women and men in federal agencies and federal courts, the so-called Federal Law for the Equality of Women and Men. According to our Basic Law and state constitutions, men and women are expressly equal. Nevertheless, let’s have a look at Article 3 (3) of the Basic Law, which is an important reference regulation. It explicitly says: “No person shall be favored or disfavored because of sex, parentage, race, language, homeland and origin, faith or religious or political opinions.” “No person shall be disfavored because of disability.” These are the so-called “Big 8“. This summarizes individual diversity characteristics. One must note that Article 3 (3) of the Basic Law primarily guarantees citizens’ right to protection from the state; it is not directly applicable to the club scene. Nevertheless, the regulation is indirectly relevant because it’s part of the Basic Law’s set of values. For example, a judge trying a diversity case must apply it above civil law (Articles 138, 242 BGB – German Civil Code, referring to contracts and good faith). Therefore the Basic Law also affects private matters.
We have comparable regulations in the state constitutions, so naturally adaptations and amendments of Article 3 (3) of the Basic Law affect the implementation of diversity characteristics on state and communal/municipal levels. Currently, there is discussion about changing the term “race” to more apt wording. A change to the Basic Law has already been proposed. The Federal Ministry of Justice would like to delete the word “race” and replace it with “racist motivation”. This law amendment has been stalled since last year. The state of Brandenburg has already changed its constitution accordingly (Article 12 (2), 2 LVerf). The result should not limit protection. At the same time, a general development is apparent that diversity characteristics are being legally adapted for better finetuning in practice. One example is the third gender category “diverse” which can be specified in identity cards since 2019.
I’d like to recapitulate the diversity characteristics our anti-discrimination laws essentially encompass:
Gender, sexual identity, (assigned) ethnic origin, skin color, disability or impairment, social background or social status, appearance, language, age, religion and ideology.
In 2020, Berlin decisively expanded its anti-discrimination law. In June of that year, the Berlin Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG, state anti-discrimination act) became effective. It is particularly noteworthy because it provides protection against an extended catalog of discrimination grounds. These include, for example, social status and chronic illnesses. Collective legal protection instruments – such as the right to take legal action in individual cases and the structure-related right of association – are regulated and a new ombudsperson’s office has been installed. It applies to all public bodies, such as authorities, courts, foundations, etc. It therefore has far-reaching implications. For example, it contains precise formulations of discrimination in Section 4, which can also be easily transferred to civil law and thus to the legal situation in clubs.
Secondly, it is necessary to determine which area of life (workplace, housing, leisure, etc.) is affected, because there are different prohibitions of discrimination with different legal consequences. This is where the three levels mentioned at the beginning come into play for the first time. If the workplace is affected, i.e. the relationship between club operators and their employees, special prohibitions of discrimination apply. The General Equal Treatment Act (AGG) with its legally enumerated diversity characteristics is relevant at the level of staff in relation to club guests. Furthermore, general regulations apply, which can also become relevant in the event of experiences of discrimination. The protection of personal rights under civil law and/or criminal law may be affected. For example, if a club employee insults a guest because of their body weight or one guest insults another. Body weight is a personal characteristic that is not expressly covered by Article 3 (3) of the Basic Law or by the AGG.
Therefore, the third step is to consider which diversity characteristics are affected. There are different standards of protection. Disability, which is covered by the UN Convention on the Rights of Persons with Disabilities under international law, should be emphasized. Germany has ratified the convention and enacted various implementing laws on this basis. For people with disabilities, the law guarantees stronger protection and additional funding opportunities/obligations that do not exist for the characteristic of “origin”, for example, in the private sector. An important watchword for the club scene is accessibility, which I will come back to later.
What is the core topic of this module?
What role does the General Equal Treatment Act (AGG) play in Germany?
Which characteristics are additionally protected in the Berlin State Anti-Discrimination Act (LADG)?
What are the so-called “Big 8” mentioned in Article 3 (3) of the Basic Law?
What is the significance of Article 3 (3) of the Basic Law in the context of the club scene?