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Diversitätsgerechte Gestaltung des Angebotes in Clubs etc: rechtliche Möglichkeiten und Grenzen – an Hand von Fallbeispielen aus der Rechtsprechung 

Um zu wissen, wie das Angebot in Clubs diversitätsgerecht gestalten kann und muss, ist es sinnvoll, auf die von der Rechtsprechung zum AGG entschiedenen Fälle zu analysieren. Schaut man sich die Rechtsprechung zur Diskriminierung in Nachtklubs an, gibt es mehrere Auffälligkeiten. 

Zum einen, es gibt sehr wenig Rechtsprechung. Daraus könnte man jetzt den Schluss ziehen, dann ist ja alles in Butter, aber so ist es wohl nicht. Dem möchte ich einmal die drastischste Aussage, die ich in der Literatur dazu gefunden habe unbewertet in den Raum stellen: Zitat „Die […] Urteile bestätigen, dass der Alltagsrassismus nicht nur im Beruf, sondern auch in der Freizeit und hier ua im Nachtleben ein weit verbreitetes Problem darstellt, was – worauf der Münchner Ausländerbeirat zutreffend hinwies – `in einer Gesellschaft, die die Menschenwürde ernst nehmen will, nicht hinnehmbar` sei. 

Die wenigen Gerichtsentscheidungen hängen einmal mit der Ausgestaltung des Rechtsschutzes zusammen, wie ich ihn kurz vorgestellt habe und natürlich ist das Ausgehen in Nachtklubs eine Freizeitaktivität, mit der keine existenziellen Grundbedürfnisse, wie Wohnen, kleiden oder essen gedeckt werden. Touristische Gäste, die nur wenige Tage in der Stadt sind, und das sind ja die mehr als 3 Millionen Gäste, werden generell keine rechtlichen Schritte unternehmen. Und diejenigen, die aus dem Ausland gekommen sind, schon gar nicht. Alle anderen Gäste, die wegen einer Diskriminierung ihr Recht durchsetzen wollen, brauchen dafür Zeit und Geld, um das sie sich gegebenenfalls erst über Beratungs- und Prozesskostenhilfe bemühen müssen. Inhaltlich sind sie zunächst in der Darlegungs- und Beweispflicht und letztlich ist es nicht sicher, ob sie den Rechtsstreit gewinnen. Hohe Entschädigungszahlungen stehen nach der Rechtsprechung nicht in Aussicht. Auch wenn dies überwiegend praktische und weniger rechtlichen Gründe sind, sind es doch Zugangshindernisse, die die wenigen Urteile erklären können. 

Zwei weitere Auffälligkeiten, dass eine Diskriminierung beim Zugang in Clubs ganz überwiegend wegen der Hautfarbe, gefolgt vom Alter geltend gemacht wurde und die ausnahmslos von Männern. Die Diversität ist also noch nicht in der Rechtsprechung angekommen.

Lassen Sie uns einmal die Gerichtsentscheidungen näher betrachten, um zu sagen, was das für die Gestaltung der Angebote in Clubs bedeutet. Im Zentrum stehen die Gäste. Es geht unter Diversitäts- und Diskriminierungsaspekten um die Zusammensetzung der Gäste, die Betreiber:innen in ihren Clubs haben möchten. Sie hat die Rechtsprechung schon häufiger, auch in Nachtclubs, beschäftigt. 

In mehreren Fällen haben Gerichte eine unzulässige Benachteiligung wegen der Hautfarbe bzw. und des Geschlechts anerkannt sowie den Betroffenen eine Entschädigung zugesprochen. 

Die jüngste Entscheidung ist diejenige vom Bundesgerichtshof vom Mai 2021, die eine sog. Zielgruppenveranstaltung zum Gegenstand hat. Sie können den Ausschluss bestimmter Personen/Personengruppen rechtfertigen. So hat es der BGH für das Merkmal Alter für die Elektro-Disco-Veranstaltung „Isarrauschen-Open-Air“ mit einer Kapazität von 1.500 Gästen in München im Jahr 2017 entschieden. Es hat die mit dem Veranstaltungskonzept verbundene Altersbeschränkung anerkannt. Einem Mittvierziger wurde mit zwei Freunden (36 und 46 Jahre) der Zutritt verwehrt. Zielgruppe waren laut Veranstalter Personen zwischen 18 und 28 Jahren, um eine homogene Gruppe zu erhalten. Der Kläger und seine Freunde passten optisch nicht in die Zielgruppe, die durch weitere Merkmale, wie vom Aussehen passend gekleidet und nicht alkoholisiert oder anderweitig berauscht, eingegrenzt war. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist im Ergebnis zuzustimmen. Handwerklich ist sie wirklich sehr schlecht und nicht überzeugend. 

Neben der Interaktion urteilte das Amtsgericht München am 23.07.2014 für das Angebot eines Nachtclubs: Zitat „Die Gäste eines Nachtclubs haben regelmäßig eine gewisse Erwartungshaltung, was die Musik, die Einrichtung und auch die Publikumsstruktur des Nachtclubs angeht. Der Unternehmer, der seinen Betrieb betriebswirtschaftlich führen will, hat daher ein nachvollziehbares und legitimes Interesse daran, die Publikumsstruktur seines Nachtclubs entsprechend zu steuern.“ In diesem Fall machte ein Mann die Benachteiligung wegen der Hautfarbe geltend, jedoch hat der Betreiber das Angebot gezielt für Personen mit homosexueller Orientierung gestaltet und tritt entsprechend am Markt auftritt. Daher sei es zulässig, Personen mit anderer sexueller Orientierung abzuweisen. Er dürfe davon ausgehen, dass die von ihm angesprochene Zielgruppe erwarte, in seinem Nachtclub auf Personen mit der gleich gelagerten Orientierung zu treffen. Der Kläger hatte ein Beweisproblem, das das von ihm angerufene Landgericht aufgriff und für die vorliegende Thematik eine entscheidende Aussage trifft: „Ein Diskothekenbetreiber bzw. ein Türsteher kann … durchaus durch die Auswahl seiner Gäste Einfluss auf die Zusammensetzung der im Club zugelassenen Mischung nehmen. Das verbietet das AGG nicht, solange sie nicht wegen ihrer Rasse diskriminiert werden.“ Das ist uneingeschränkt auf alle anderen Diversitäts-Merkmale erweitern. 

Zu diesem Komplex gehört, dass sich Anbieter mit einem Image im Markt platzieren. So existieren `Szenelokale´, die von einer besonderen Zusammensetzung ihres Publikums gekennzeichnet sind. Der Wert, den die Anbieter vermarkten, sei das `Gefühl der Exklusivität´, das durch Ausgrenzungen hergestellt wird. Oft sei dies nicht auf Vorurteile oder Antipathien der Anbieter sowie der Kunden zurückzuführen. So beispielsweise, wenn ein Türsteher nach Kleidung der Wartenden sortiert, könnten in bestimmten Gegenden ein statistisch relevanter Zusammenhang mit der ethnischen Herkunft der Einlass-Begehrenden bestehen. Ähnlich können Auswahlkriterien wie Religion, Alter, Geschlecht oder sexuelle Identität wirken. Hier ist beim Angebot darauf zu achten, dass keine mittelbare Diskriminierung vorliegt und wenn eine Ungleichbehandlung erfolgt, ist zu prüfen, ob sie im Einzelfall gerechtfertigt ist, zB über die wirtschaftlichen Gründe der Betreiber:innen.

Das Merkmal der Behinderung wird in diesem Zusammenhang in der Literatur zu Recht nicht eingeschlossen. Menschen mit Behinderungen sind immer Teil des Publikums, das von einem Angebot angesprochen wird. Will man eine „Herren-Poker-Bar“ unter Ausschluss von Damen anerkennen, dann zählen zu diesem Kreis ebenso Herren mit Behinderungen. Eine Imagebildung, sei es in Form von Exklusivität, durch Ausschluss von Menschen mit Behinderungen für die hier zu untersuchenden Angebote der Betreiber_innen von Veranstaltungsorten, bietet generell keine Grundlage für einen sachlichen Grund und ist allgemein nicht akzeptabel.

Für die Gestaltung eines diversitätsgerechten Angebotes in Clubs ist bei Zielgruppenveranstaltungen besondere Sorgfalt gefragt. Dogmatisch kann eine AGG relevante Ungleichbehandlung von Gästen mit wirtschaftlichen Gründe der Betreiber_innen gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 AGG gerechtfertigt sein. Eingeschlossen werden Präferenzen der Kundschaft als maßgeblicher Faktor für die wirtschaftliche Ausrichtung des Anbieters mit dem legitimen Ziel seiner wirtschaftlichen Gewinnmaximierung. Immer muss die Ungleichbehandlung geeignet, erforderlich und angemessen sein. Der Diskriminierungsschutz ist immanent mit der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Rechtfertigungsgrundes verbunden.

Mit einer markanten Aussage eines Juristen möchte schließen „Eine Zielgruppenveranstaltung ist … kein Freibrief für Diskriminierungen. Wo ein Motto nur vorgeschoben ist, taugt es nicht zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung. 

Ich möchte noch einmal auf das Merkmal der Behinderung zu sprechen kommen. Soweit ersichtlich, gibt es keine Rechtsprechung zu diesem Merkmal im vorliegenden Kontext. Dass hier abweichende Maßstäbe gelten, ist juristisch nachvollziehbar erklärlich. Befürchtungen oder auch Mutmaßungen der Betreiber_innen von bzw. über Umsatzrückgänge bilden keinen sachlichen Grund für den Ausschluss von Menschen mit Behinderungen. Nicht ausreichend sind ebenso wenig tatsächlich eingetretene geringfügige Umsatzeinbußen. Das bedeutet, auch der Verlust einzelner Kunden oder eines eher unbedeutenden Teils der Kundschaft reicht nicht für eine zulässige Ungleichbehandlung. Die Grenze ist erreicht, wenn Betreiber_innen die gesamte Kundschaft oder zumindest erhebliche Teile ihrer Kundschaft verlieren (werden). Dies führt zu den Kundenpräferenzen, wie sie auch schon in der oben dargestellten Rechtsprechung angesprochen sind. Bei dem Merkmal der Behinderung ist aber nicht allein auf den Umfang/Höhe der Umsatzeinbußen abzustellen. Vorurteile von Gästen sollen nicht über den intendierten Diskriminierungsschutz verfestigt werden. Deshalb ist für die Beurteilung des sachlichen Grundes ebenso maßgeblich, wie sozial verwerflich oder sozial adäquat solche Kundenpräferenzen sind. Die Herabwürdigung des Menschen mit Behinderung ist umso stärker, je verwerflicher die Kundenwünsche sind. Daher sind die Anforderungen an die wirtschaftlichen Einbußen durch wegbleibende Kunden bzw. Kundenreaktionen umso höher. Nicht sozial adäquat ist die ablehnende Haltung von Kunden, wenn sie sich auf beispielsweise das äußere Erscheinungsbild eines Menschen mit Behinderung bezieht. Zu tolerieren von der Gästeschaft sind zudem untrennbare Zusammenhangseigenschaften, wie mit der Behinderung verbundene Verhaltensweisen, wie zum Beispiel Geräusche. Einem Menschen mit Behinderung, der Angebote der Betreiber_innen zum Ausgehen nutzen möchte, kann der Zugang aus wirtschaftlichen Erwägungen generell nicht verwehrt werden. Zu beachten ist zudem die Prüfung der Verhältnismäßigkeit, die mildere Maßnahmen als den vollständigen Ausschluss der Menschen mit Behinderungen verlangt. Im Einzelfall kann der Betreiber oder die Betreiberin eines Veranstaltungsortes, insbesondere je nach Art des Angebots, der Größe / Räumlichkeiten des Veranstaltungsortes und der Gästezahl bei zum Beispiel größeren Gruppen von schwerbehinderten Menschen gehalten sein, Lösungen zu finden, um ihnen den Zugang zu ermöglichen.

Was ist eine der Hauptursachen dafür, dass es so wenig Rechtsprechung zur Diskriminierung in Nachtclubs gibt?

Welche Aussage trifft auf die Rechtsprechung zur Diskriminierung in Nachtclubs zu?

Welche Bedingung muss erfüllt sein, um eine Ungleichbehandlung von Gästen in Clubs rechtlich zu rechtfertigen?